Archiv für den Monat: Februar 2008

Der Tag, an dem ich Soljanka aß

Deadly Soljanka

Das Wort „Plazenta-Pizza-Rezept“ erinnerte mich heute an eines der herausfordernsten Gerichte, welches ich meinen Körper gezwungen habe, zu konsumieren. Und an einen guten Freund.
Da waren wir also, kurz nach der Wiedervereinigung, in Berlin-Adlershof und halfen dem DFF, ein neues IT-System einzuführen, welches er dringend benötigte, um neues, westliches Regelwerk abzubilden. Dekadent übernachteten wir mitten auf dem Kudamm in einem netten kleinen Familienhotel, fuhren morgens in einem tiefer gelegten, schnellen BMW meines Hamburger Kollegen ostwärts, eingekreist von Millionen braun qualmender Trabbis, auf Straßen mit unzähligen Schlaglöchern, dazu laut Massive Attack’s „Unfinished Sympathy“ hörend. Oder The Farm’s „All together now“. Wie passend.
Das war die Zeit, als Elf99 noch existierte, aber der schwarze Kanal schon abgeschaltet war. Das Projektteam saß in diesem Büro eines ehemaligen Stasi-Oberen, eben jenes, wo noch der riesige schwere Tresor Platz nahm, dessen Tür nun offenstand und jetzt Wichtigeres als belastende Dossiers enthielt – unsere Lufthansa Joghurtvorräte vom Montag-Hinflug.
Lustige Dinge, die man dort schnell lernte:
– Die Raumtemperatur wird mangels Heizungsknopf durch das Öffnen und Schließen der Fenster reguliert, d.h. spätestens ab November ist es entweder scheisskalt oder scheisswarm im Raum
– Es braucht 4 DFF-Mitarbeiter, um eine Glühbirne im Projektraum zu wechseln
– Zum Dank für geschaffte Termine gibt es immer eine lange Rede und eine warme Flasche Rotkäppchen für jeden im Team.
So weit, so gut. Dann aber kam die Kantine. Und der Tag, an dem ich einen verbeulten und sicherlich geschichtsträchtigen Löffel meines höchst biegsamen DDR-Aluminium-Weichbestecks interessiert auf Entdeckungstour durch das DFF-Tagesgericht entsandte: Soljanka-Suppe. Es war Freitag. Und das Spiel begann.
Sind das nicht die Fleischklöße vom Montag? Nein, das ist der Gemüsetopf von Dienstag! Quatsch, ich schmecke den Fisch von Mittwoch! Schwimmt da ein Pommes oder ist das der Kartoffelauflauf von gestern?
„Ich habe HO-Plastiktüte“, sage ich, und fische ein Stück derselben aus meiner russischen Mischsuppe. Alle feuern ihre Weichlöffel erschreckt zurück in die Soljanka. „Alternative Lösung?“, fragt Marco kurz und bündig. „Tresorschrankjoghurts“, sage ich. Wir grinsen uns an und gehen. Das war das letzte Mal, dass ich Soljanka aß.
Marco sah ich das letzte Mal zum erfolgreichen Projektabschluß. Wir konsumierten Wagenladungen von Rotkäppchen und freuten uns erschöpft über unseren Erfolg. Kurze Zeit danach ging er nach San Francisco und starb später an AIDS. Wenn ich an Soljanka denke, denke ich an ihn. Und umgekehrt. Und erst viel später begriff ich Idiot, warum er sich in den Berliner Discos nie wirklich für Frauen interessiert hatte.
Neon!

Subversive Schildermodifikation

Need space?

Ja, ist schon klar! Wahrscheinlich finden das nur 13-jährige pickelgesichtige Jungs toll, die’s selbst noch nie getan haben. Aber irgendwas an dieser puritanischen Denke ist auch falsch, weil ich’s auch witzig finde (und nein, bevor jetzt irgendwelche bösen Unterstellungen kommen: ich bin nicht 13 UND ich hab’s schon mal getan!).
Leider gibt die deutsche Sprache bei weitem nicht diese variable Einsatzfähigkeit eines prägnanten „Fuck“-Klebestickers her, mit dem man – akkurat zurechtgeschnitten – beliebig passende Schilder modifiziert und in ihrem Sinn so dermaßen hübsch verbiegt, dass man sich ob dieser sympathisch-subversiven Kreativität vor vorpubertärem Lachen in die Hand beißen will. Immerhin ein weiterer Grund, doch irgendwann bald die Auswanderung nach Canada zu konkretisieren. Weitere sehr plausible Anwendungsbeispiele hier.
Neon!

Pferdeschwanz-Fetisch

Pferdeschwanz

Heute Gestern am frühen Abend beim Workout. Neuen Pferdeschwanz-Fetisch entdeckt. Und schon sprudelt es in Reimen aus mir und versucht, sich einen verzweifelten Weg zu bahnen. Hätte ich mal besser die Fitness-Warnmeldung gelesen: „Wippende Pferdeschwänze auf Treadmills können extreme Emotionen auslösen!“. So war’s denn auch…
Das Glockenspiel
Wild hüpft ihr Pferdeschwanz im Takt,
das enge Sportshirt sitzt exakt,
doch hat es Mühe, Halt zu geben,
wo schwere Brüste sich erheben,
und munter auf und nieder wippen,
ach könnt ich doch an ihnen nippen.
Jetzt setzt sie gar zum Sprintlauf an,
ich fürchte – und das klingt profan,
ihr T-Shirt wird es nicht mehr schaffen,
die 80C-Cups eng zu straffen,
die Schwerkraft sendet Dissonanzen,
wo Brüste augenscheinlich tanzen.
Doch Schluss! Ich bin für Sport gekommen,
und jetzt schon deutlich zu benommen,
um eigene Leistung zu erbringen,
stattdessen denk ich ans Bespringen,
Verhalte mich wie’n armer Nepper,
oh Gott, jetzt geht sie auf den Stepper.
Und wieder geht das Wippen los,
es hüpft und tanzt ganz burschikos,
die Oberweite und ihr Schwanz,
mit wunderschöner Eleganz.
Ich breche ab, das ist zuviel,
von diesem hübschen Glockenspiel.
Das Luder lässt es weiter wippen,
ich beisse sanft mir auf die Lippen,
ich glaub‘ sie schaut mit festem Blick,
ob ich an diesem Bild erstick‘,
doch hat die Dame keine Chance,
denn ich bewahre Contenance. *g
Neon. 23.02.2008.

Simplifikation

Simplifikation

„Oberste Prinzipien, Clarice. Simplifikation! Lesen Sie bei Marc Aurel nach. Bei jedem einzelnen Ding die Frage, was ist es in sich selbst? Was ist seine Natur?“. Und ich denke, warum also vorgestern so viele Worte machen um etwas, was ein einfaches Bild hätte präzise zusammenfassen können.
Neon!

Wenn Miss Marple 2x klingelt…

Sunday Morning Death Wish

Es ist Sonntagmorgen, 11:15 Uhr. Am Wochenende bin ich Langschläfer, oder anders erklärt: meine ToDo-List für Sonntag beginnt mit lange schlafen, lange räkeln, lange frühstücken, Sendung mit der Maus, Presseclub, Duschen. Das ist jetzt kein in Stein gemeißeltes Gesetz, wirklich nicht, mehr ein geliebtes Ritual, und doch gibt es sehr sehr sehr wenig Leute, die die unbedachte Störung dieses Sonntagmorgenrituals nicht mit ihrem Leben bezahlen würden. Diese Warnung missachtend steht bereits ein seltsam anmutendes Pärchen vor der Haustüre und ist soeben dabei, ihr Ebensolches leichtfertig und ahnungslos auf’s Spiel zu setzen.
Es klingelt also zum zweiten Male, und zwar genauso, wie eine Stunde zuvor, als ich jenes widerstrebende Läuten meiner mir eng verbundenen und gewogenen Haustürklingel zum ersten Male vernehme und mich, nach ungläubigem Blick auf meine sich entschuldigende Armbanduhr, wieder entnervt ins Kissen zurückwerfe.
Jemand scheint es also sehr ernst zu meinen und meine ungeduschte Türpräsenz zu fordern. Wollen wir hoffen, dass er gute Argumente hat. Behende springe ich die Treppen hinunter, zupfe meine Boxershorts zurecht und öffne anmutig und noch nicht an Blutrausch denkend die schwere Vordertüre.
Vor mir steht ein ca. 35-Jähriger mit Bübchengesicht und Nickelbrille im zu eng gewordenen Kommunionsanzug, neben ihm Miss Marple, sichtlich verlegen bis entrüstet auf meine luftigen Boxershorts starrend, dann inbrünstig ihren Begleiter mit Blicken ermutigend, dass hier wohl ein sündiges Subjekt gefunden sei, welches geistlichen Beistands und intensiver christlicher Bekehrung bedürfe. Der Nerd hält mir darauf gleich den „Wachtturm“ entgegen, als wolle er mir noch vor der Begrüßung den Teufel austreiben.
„Guten Morgen, wir waren vor einer Stunde schon mal hier“, sagt das Milchgesicht, während ich überlege, wie ich am schnellsten an besonders scharfe Messer komme. „Ach Sie waren das“, stoße ich nur mit Mühe und äußerster Beherrschung hervor.
„Glauben Sie an Jesus Christus?“, fragt der Jehova-Azubi, während ich gerade innerlich sein Todesurteil fälle. Miss Marple nickt bestätigend und schaut mich an wie den leibhaftigen Satan.
„Ich glaube an Liebe, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Hoffnung, Mercedes-Benz und die Deutsche Bank“, sage ich, während ich bemerke, dass Miss Marple beginnt, in ihrer Tasche nach einem Kreuz, Weihwasser oder zumindest einem angespitzten Holzpflock zu suchen.
Der Kommunionsanzug erkennt langsam die Sinnlosigkeit seines Tuns. „Dürfen wir Ihnen noch etwas zum Lesen da lassen?“, bricht es mit einem Anflug von Verzweiflung aus ihm heraus. „Danke, ich bin Atheist, aber hätten Sie vielleicht Interesse an Bertrand Russell’s Buch ‚Warum ich kein Christ bin‘?“.
Miss Marple droht zu kollabieren. Der Kommunionsanzug fächert ihr mit dem „Wachtturm“ Frischluft zu. „Na dann viel Erfolg noch“, rufe ich fröhlich und schließe die Tür. Miss Marple röchelt mir zum Abschied zu. Perfektes Timing, denke ich. Noch 5 Minuten bis zur „Maus“.
Neon!

The next great Uri Neon

Polar Bear Crisis

Meine Cousine ist jetzt stolze Besitzerin eines „Global Blackberry“. Kürzlich flog sie aus Toronto ein und präsentierte ihn mir mit roten Wangen, die ihre nicht unerhebliche Aufregung und Freude verrieten. Sie könne mit Hilfe dieses kleinen PDAs nun E-Mail an jedem Ort der Welt empfangen und beantworten.
Wie jeder weiß, haben intelligente Leute (sie ist Anwältin), die auch noch einen Global Blackberry besitzen, meist eine derart beeindruckende Geisteskraft und Mentalstärke, dass sie oft von Stewardessen gebeten werden, während Start und Landung ihr Denken zu reduzieren. Es war natürlich unnötig, sie zu fragen, ob ihr das beim Hinflug auch passiert war.
Dann traf es mich aber wie ein Blitz. Denn schließlich sind wir verwandt und verfügen in gewissem Umfang über die gleichen smarten Gene in unserer überragenden DNA. Abends setzte ich mich also vor meinen Laptop und suchte nach einer angemessenen Demonstration meiner mentalen Stärke – und es funktionierte auf Anhieb: Seitdem schreibe ich Blogbeiträge, in dem ich mein Gehirn dazu bringe, Buchstaben via Bluetooth an meinen Laptop zu senden. Wie Sie gerade lesen können, klappt das ganz hervorragend.
Die schlechte Nachricht ist, dass jedesmal, wenn ich beginne, mich auf den ASCII Zeichensatz zu konzentrieren, die Abwärme meines Gehirns das Problem der globalen Erwärmung derart verstärkt, dass ein Polarpinguin stirbt. Das zwingt mich oft, mich kurz zu fassen.
Ich muss schließen! Da die Mikrowelle defekt ist, habe ich heute die Verantwortung dafür übernommen, die zur Vorspeise vorgesehene Suppe allein durch meine knisternde Gehirnleistung zu erhitzen.
Neon!
P.S. Auf Basis der Länge dieses Blogbeitrags rechne ich damit, dass dadurch etwa 17 Polarpinguine und 5 Polarbären ihr Leben verloren haben. Ich werde deswegen heute Nacht noch lange wachliegen und an mir zweifeln!

You suck at Photoshop!

You Suck @ Photoshop

Du weißt es, ich weiß es, und Frau Morgenstern weiß es sowieso: Photoshop nicht zu beherrschen ist heutzutage mindestens genau so peinlich wie Gabriele Pauli in Gummi-Spülhandschuhen, gegen Deutschland im Fußball 3:0 zu verlieren oder stolzer bedauernswerter Besitzer eines preiswert-mallorcinischen Steißbein-Tattoos (vorzugsweise mit aufreizend-motivierendem Text „Ab hier wird’s eng!“) zu sein.
Gottseidank gibt es kreative Leute wie Donnie Hoyle, der wunderbare PS Tutorials auf YouTube bereitstellt, um dilettierenden Photoshop-Novizen den korrekten Gebrauch von Ebeneneffekten und -masken, Pfaden, Selektionen und das Klonen von Bildteilen unter Umgehung des Musterstempels (Iggittt! Nicht mal daran denken!) nahe zu bringen. Dabei unterlegt er das wirklich Wissenswerte noch zusätzlich durch eine wunderbar witzige Begleitstory, die kaum unterdrückbare Lust auf die nächste Fortsetzung macht.
Daher die klare Neon-Empfehlung: Auf jeden Fall streng sequentiell ansehen, d.h. also erst Lektion Eins, dann Zwei, sodann Drei, darauf Vier und erst dann Fünf. Diese und hoffentlich bald weitere Tutorials kann man auch direkt über Donnie’s Profilseite abrufen.
Wie bekommt man also bildtechnisch die nervige, teppichpinkelnde Katze, die die (Ex-)Freundin mitgebracht hat, kopfüber in einen Plastiksack? Lektionen gucken! Und dann sag deinen Becken-Tattoos Adé, zumindest elektronisch.
Neon!

Homecoming

Endlich. Neon Junior ist zurück, nach 5 langen Monaten in den tiefsten Rockies. Größer, behaarter, erwachsener, selbstbewußter, mit vielen neuen Freunden weltweit, die Jeans noch tiefer hängend, mit perfektem Englisch und stolzen Flecken und Narben vom Snowboardfahren bei manchmal -27 Grad Celsius. In kaum etwas liegt mehr Glück und Zufriedenheit als in dieser langen Wiedersehensumarmung. Alles steht still in dieser Sekunde am Flughafen, die ein gefühltes Leben dauert. Und alles ist gut.
Neon!