Archiv für den Monat: März 2009

Turn me over, Selly

Selly

Nicht jeden Tag kommt es vor, dass man in den Weiten des Webs durch eine Türe fällt, hinter der ein besonderes Kleinod auf einen wartet. Ich weiß nicht mehr, nach was ich gerade gegoogelt hatte, aber irgendwie kam ich hierher, sah auf das erste Bild des Films und hatte das unstillbare Verlangen, ihn anzusehen.
Die Dinge entwickeln sich langsam. Ein tropfender Wasserhahn. Zettel mit Erinnerungen, Notizen an dich selbst. Eine unzählbare Menge von Streichhölzern in einem Spülbecken. Anweisungen an den nächsten Morgen. „Would you like to see me doing it?“, fragt Selly’s Frau und lächelt beim Tanzen wie ein junges Mädchen. Der Mensch ist so wunderbar traurig anpassungsfähig. Auch an die täglichen Massaker des Älterwerdens. Durch das Erfinden von Gegenstrategien als Antwort auf das fortgesetzte erzwungene Loslassen von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Im Erkennen des Verzichts und Verlusts schafft er sich neue Wege des Überlebens und Bestehens. Ich glaube, das ist die positive Nachricht dieses bewegenden 10-min-Films.
Die andere Nachricht ist die des drohenden Scheiterns. Dass eine Welt, die man sich in gutem Glauben eingerichtet hat, von einer Sekunde zur Nächsten gefährlich schnell scheitern kann. Dass äußere, banale Einflüsse das wackelige, fragile Gerüst eines eigenen vorsichtigen Lebensentwurfs mit einem Wimpernschlag an die Schwelle des Scheiterns bringen können. Wo und wie werden wir enden? Du. Und ich. Verloren, mit einem leeren Sack Haferbrei auf einer viel befahrenen Stadtstraße – und keiner nimmt Notiz?
Eine Metapher. Nichts mehr. Und doch, wer, der diesen Film heute sieht, kann ausschließen, dass er in den Spiegel der Zukunft gesehen hat?
Neon!

Selly from wartezenstein on Vimeo.