Archiv für den Monat: Februar 2010

Geheimnisvolle Baumbotschaften

Seltsame Dinge passieren entlang meiner Laufstrecke im Wald. Über Nacht hat jemand geheimnisvolle Botschaften an einigen Bäumen befestigt und mutwillig in Kauf genommen, dass sie mich in tiefes Nachdenken stürzen.
Sind die Nachrichten vielleicht an mich gerichtet? Wer will mich damit zum Bleiben auffordern? Ist es eine alte Liebe aus dem Süden, die mit dem Baumpfahl winkt mir sanfte Zeichen gibt? Ist es mein staatsbeflissener, ewig gieriger Finanzbeamter, der mit subtilen Wegschildern meine abenteuerlichen Auswanderungsgedanken schon im Keim ersticken will? Hat meine Friseurin Sandra einen außergewöhnlichen Versuch der kreativen Kundenbindung in die Tat umgesetzt? Oder möchte mich mein KFZ-Versicherer AXA zurückhaben, nachdem ich ihm kaltlächelnd im November gekündigt habe?
Haben diese sich vielleicht alle zu einer subversiven Gruppe verbündet, um mich mit dieser frontalen Gehirnwäsche mental weich zu klopfen? Was wird sich diese verschworene Viererbande noch einfallen lassen, um mich ihnen schließlich gefügig zu machen? Erschauernd stoppe ich im Lauf, gehe unverdächtig weiter und schaue nervös hinter mich. Bestimmt steht mein Finanzbeamter gut getarnt hinter irgendeinem Strauch und filmt alles für die anderen Verschwörer.
Dann fällt mein Blick auf die letzten beiden Baumnachrichten: „Dich anzuflehen, bei mir zu bleiben“ und „Bis zur Unendlichkeit und zurück“. Hm, klingt so gar nicht nach meinem persönlichen Finanzamtstaliban. Zuviel Gefühl.
Ich atme auf. Ich fühle mich erleichtert. Und auch wieder nicht. Ein verlassener Mensch hat sich entschält, entblößt und den Blick in sein verletztes, liebendes Innerstes freigegeben. Gerne würde ich diesen verzweifelten Menschen treffen, um ihn mit meinen Händen kräftig zu schütteln und ihm Mut zuzusprechen. Niemand sollte jemals einen anderen Menschen um Liebe anflehen, möchte ich dem geheimnisvollen Botschaftenkleber sagen. „Menschen kommen, Menschen gehen, und du kannst sie nicht festhalten“, sagte meine Mutter immer. Und „Sei dankbar für die Zeit, in denen dein Weg der gleiche ist“. Und vielleicht, mit viel Glück, wird der Weg ein sehr langer.
Neon!