Archiv für den Monat: Februar 2014

Fermentierter Schlammfisch

mudfish.jpg

Today I Learned…

…dass es ausgefallene Verzehrvorschläge gibt, die entgegen meiner prinzipiellen Grundbegeisterung für asiatisches Essen und der festen Überzeugung, alles auszuprobieren, nicht den Weg in meinen Einkaufswagen finden.

„Pickled mud fish“ ist gepökelter, über ein Jahr fermentierter Schlammfisch und gilt in Kambodscha, Laos und Thailand als Delikatesse.

Satanische Kaffeevollautomaten

juraf9.jpg

Falls Sie zu den Menschen gehören, die einen Kaffee genießen wollen ohne vorher stundenlang mit einer Maschine argumentieren zu müssen, dann kaufen Sie sich nie, nie, niemals einen Kaffeevollautomaten. Bitte, glauben Sie mir: ein Kaffeevollautomat ist das personifizierte Böse und steht mit dem Teufel im Bunde — übrigens ganz so wie Backvollautomaten, Miele-Bratenthermometer, Tetrapack-Sojamilchverschlussnippel und Holundermarmelade.

Mein Vollautomat ist besonders bösartig. Denken Sie an Ihre schlimmsten Erlebnisse und Frustrationen, multiplizieren Sie sie mit 100 und Sie sind noch lange nicht in der Nähe dessen, was ich mir täglich von meiner Jura gefallen lassen muss.

Wenn sie einen guten Tag hat, verlangt sie vor dem ersten Kaffeebezug nur, dass ich ihren Trester leere. Leider hat sie selten einen guten Tag. Kaffeevollautomaten sind übrigens kein Freund vieler Worte. Da gibt’s kein „Bitte“, „Danke“, „Könntest du evtl. gleich mal…“. Juras reden in 2-Wort-Imperativen wie z.B. „Trester leeren!“ oder „Filter wechseln!“. Meistens, so glaube ich, leuchtet nach dem knackigen Befehl noch kurz ein „aber pronto“ im Display auf.

Manchmal, wenn sie schlecht geschlafen oder „bad coffee day“ hat, spielt sie mit mir ein nervenzerfetzendes, psychologisches Spiel im Grenzbereich menschlichen Erduldens. Sie weiß ganz genau, wo sie mich packen kann. Ich ahne es schon, wenn sie beim Start viel länger braucht, ächzt, röhrt, sich durchschüttelt und Lockerungsübungen macht, als wenn sie sich gemächlich ihre perfide Strategie zurechtlegt, mit der sie mich diesmal an den Rand des Wahnsinns bringen will.

Erst letztens wäre ich beinahe so weit gewesen. Nach „Wartung drücken!“, „Schale fehlt!“ und „System füllen!“ schob sie ein „Filter wechseln!“ und „Gerät reinigen!“ nach. Ich wusste, in den nächsten 2-3 Stunden bekomme ich von ihr keinen heißen Kaffee zu sehen. In einer Mischung aus Verwegenheit und Verzweiflung drückte ich frech auf „Großer Kaffee“, aber sie entgegnete sofort ein unverschämtes „Gerät verkalkt!“ und schwieg. Ich zog meinen letzten Joker und flüsterte leise aber bestimmt in ihre Auto-Cappuccino-Düse „Ich tausch dich aus gegen eine Nespresso-Kapselmaschine, du Luder!“.

Es wurde still. Sehr still. Sie überlegte. Lange. Dann tat sich etwas. Sie meldete kurz ein „Bohnen füllen!“ ins Display, dann „Gerät heizt auf“ und entließ kooperativ einen Espresso aus dem Kaffeeauslauf. Leider hatte ich meine Tasse noch nicht auf das Tropfgitter geschoben, aber man kann nicht alles haben. Jetzt weiß ich wenigstens, wie ich den kleinen Teufel in die Schranken weisen kann.

Ars sterilis

zettelleuchte1.jpg

Ausgefallene, mysteriös anmutende Objekte und Kaufofferten erwarten einen dieser Tage in unschuldig daherkommenden Leuchtenausstellungen. Um dem wachsenden Wunsch des Kunden nach Individualisierung „seines“ MassenProduktes Rechnung zu tragen, fertigt die Industrie zunehmend zielgruppenangepasste Produktversionen von Standardwaren, deren Herstellungspreis wohl nur geringfügig über dem des Massenprodukts liegt, aber dem Käufer durch clevere Design- und Individualisierungsmerkmale die Illusion eines hochpreisigen, einzigartigen Unikats vermittelt.

Das oben gezeigte Gattungsexemplar, das mir mit seinen spitzen Auslegern kürzlich beinahe die Augen ausstach, wendet sich offensichtlich klar an die Gruppe der Künstler/Kunstliebhaber sowie Menschen, die auf Literatur und Poesie in Form von bedrucktem Japanpapier auch an ihrer sich schnell erhitzenden Esstischleuchte nicht verzichten wollen.

zettelleuchte2.jpg

Kunst und Unikat — das darf schon etwas kosten. Immerhin wurden hier teuerste Materialien verbaut:

  • ein gelochtes Stahlblech in vertrauter Fliegenfallenoptik mit Glas und Leuchtmitteln,
  • 31 bedruckte und 49 unbedruckte Blätter DIN A5 (Nachbestellung ist möglich),
  • ebensoviele unbehandelte, grundehrliche Stahldrähte in doppelter Wunderkerzenlänge,
  • eine analoge Anzahl schwarzer Gebrauchspapierclips zur individuellen Befestigung des Japanpapiers

Nun, spätestens seit Herrn Shhhhhs erschütternder Küchenerzählung wissen wir, dass Künstler in der Regel dekadente Nichtsnutze sind, die gerne 15.000 Schleifen für eine Küche ausgeben, die sie niemals wirklich verwenden werden. Beim Preis für die waghalsige Zettelleuchte rechnete ich daher mit dem Allerschlimmsten. Allerdings nicht mit € 740.

Der Leuchtenberater bemüht sich darzustellen, dass die Lampe immerhin voll dimmbar sei und edles satiniertes, ja sogar hitzebeständiges Glas in der Fliegenfallenmitte besäße.

Und obwohl ich die Designidee durchaus nicht übel finde, erscheint mir doch die kristallklare Wertlücke zwischen geschätzten (großzügig kalkulierten) Herstellkosten von € 25 und den amtlichen € 740 etwas zu grob.

Dafür dürfen Sie sie jedoch selbst ganz persönlich zusammenbauen und aufhängen„, sagt die Verkäuferleuchte, „das gehört schließlich zum individuellen Kauferlebnis.“.

Ich suche eigentlich etwas, woran ich meine gebrannten CDs hängen kann!„, antworte ich. Das Verkaufsgespräch endet abrupt. Da muss ich wohl weitersuchen.