Palpatine vs. Vader

Ich sitze also gerade im TechnoGym Arm Extension Gerät des Körperertüchtigungsstudios meines Vertrauens und trage stolz mein jüngst erworbenes US-Wahlkampftshirt.
Während ich angestrengt und weitestgehend hoffnungslos versuche, meinen durch laxe Schlamperei in desaströser Auflösung befindlichen Trizeps durch allerlei Übungen, gutem Zureden und flehentlichem Bitten wieder auf eine nennenswerte Erscheinung zu bringen, spricht mich ein Schwarzer, an seinem Slang unschwer zu erkennender Amerikaner an, der schon eine Weile auf den Schriftzug meines Tshirts starrt.
„So who won?“, fragt der muskulöse Schwarze mit den durchdringenden Augen knapp und zeigt mit seinem Kinn auf meine Brust, während ich versuche, seine Intonation und Mimik zu deuten. Leider ist diese Ableitung alles andere als eindeutig und so bin ich mir nicht schlüssig, ob er es vielleicht als Anti-Obama, als Anti-Romney oder gar Anti-Star-Wars interpretiert und das Ganze in wenigen Sekunden auf eine unschöne körperliche Auseinandersetzung im bereits angeschwitzten Sportdress hinausläuft. Mein Neo-Cortex errechnet fortlaufend die Erfolgschancen der ein oder anderen Antwort und informiert mich aufgeregt über das vermeintlich beste Chance/Risiko-Verhältnis.
Natürlich könnte ich „It’s Anti-Politics!“ antworten, aber das wäre dann doch etwas billig. Da hilft also nur noch der gute alte Beratergrundsatz „Wenn du eine Frage nicht beantworten kannst, gib sie einfach zurück“. Auf jeden Fall bringt das erst mal kostbare Nachdenkzeit.
„If you tell me, who’s Vader and who’s Palpatine, I’m gonna tell you who won the election!“, antworte ich dem Amerikaner, der mich immer noch subjektiv bedrohlich anschaut. Ich merke, wie mein Gegenüber die Antwort zerlegt und analysiert, dann huscht ein zurückhaltendes Lächeln über sein Gesicht.
„I wish I knew, man. I wish I knew. Nice shirt!“, sagt der Hulk und macht sich auf den Weg in Richtung Chest Press. Mein Neo-Cortex entspannt sich wieder, dann denke ich weiter darüber nach. Wer ist Palpatine und wer Vader? Und ist der ganze Wahlzirkus nicht nur eine milliardenschwere Inszenierung von vermeintlichen Alternativen, die in Wahrheit keine sind und deren Protagonisten nur graduell heterogene Akteure des militärisch-industriellen Komplexes und seinen Zwängen und Interessen sind? Brot und Spiele für das Volk und die staunende Weltöffentlichkeit.
Mein Trizeps kapituliert im 3. Satz bedingungslos. Ich glaube, er will mir sagen, ich sollte im Fitti weniger Politik wälzen und mehr Eisen stemmen. Nächstes Mal.
Neon!

4 Gedanken zu „Palpatine vs. Vader

  1. pathologe

    Wie bereits an anderer Stelle schon vermerkt: „Demokratie ist sowieso nur eine Ablenkungs- und Beschäftigungsstrategie des Kapitalismus. Nicht nur in den US von A oder Deutschland, nein, überall regiert Geld die Welt. Und am direktesten kann man das hier bei mir in Afrika betrachten. Da sind die Schamgrenzen schon lange gefallen.“

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    1. NeonWilderness

      Wenn die Analyse, mit der ich ja durchaus sympathisiere, so ausfällt wie Ihre, stellt sich ja immer unmittelbar auch die Frage nach der besseren Alternative. Aber leider fällt mir dazu dann gar nichts mehr ein, da jede Form zentralstaatlichen Lenkens und Verteilens nun wirklich brachial gescheitert ist und einfach im grundlegenden Widerspruch zum menscheneigenen Ehrgeiz und Wohlstandsstreben steht.

      Im Strauß der verschiedenen Systeme stellen Demokratie i.V.m. Kapitalismus ein ziemlich überzeugendes Angebot dar, auch wenn viele eine gefährliche Lust auf mögliche Alternativen umtreibt.

      Wie sagte Josef Joffe gestern in einer Talkshow: „Kein Land lebt so gut vom Kapitalismus wie die Deutschen und kein Land verachtet ihn mehr als die Deutschen“. Touché. Niemand will zurück zum ungesteuerten, rechtsfreien Kapitalismus eines Milton Friedman (leider sind das meist die Probiersysteme, die man z.B. in Afrika findet), aber unter Berücksichtigung aller Macken, Fehlbildungen und Missbräuche liegt unser aktuelles System immer noch reichlich weit vorne.

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    2. pathologe

      Ich hatte eine lange und ernsthafte Antwort hier reingefrickelt, aber Zweitag mag ernsthaft nicht. Vielleicht habe ich auch nur irgendein Stylesheet gesprengt.

      Daher kurz: der Mensch ist an sich zu doof und unterentwickelt, um zu erkennen, was er da mit seiner eigenen Zukunft anstellt. Immer noch, leider. Die wenigen Ausnahmen werden heutzutage „Spinner“ genannt.

      Immer wieder gut (und von mir leider noch nicht widerlegt worden): Dies hier.

      Das Problem mit der Menschheit ist einfach „possideo ergo sum“.

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    3. NeonWilderness

      Über Prof. Bartletts Exponentialfunktion und ihre unausweichlichen Folgen hatte ich ja schon hier eigene schmerzliche Lernprozesse zu Ihrem März-Beitrag gepostet. Interessant in diesem Zusammenhang die auch von Obama betriebene Augenwischerei von der USA als zukünftiger Selbstversorger mit Öl und Gas – diese Phase wird bei gleich bleibendem Wachstum der Verbräuche (siehe Bartlett) womöglich eher ein sehr kurzes Vergnügen und ist reines Opium fürs Energie verschwendende Volk.

      Wenn irgendwann die lebenswichtigen Ressourcen knapp werden, werden zu der 1 Mrd. Menschen, die seit dem ersten Krieg vor 7500 Jahren in Auseinandersetzungen getötet wurden, noch weitere Milliarden dazukommen. Das wird ein düsteres Zeitalter. Erst danach wird die Menschheit (hoffentlich) so weit sein, sich auf ein neues, besseres Verteilungssystem zu verständigen.

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