Notfallheimzahnarztsonde

Sonde

Manchmal bekommt man Möglichkeiten im Leben gezeigt, die man lieber nicht kennengelernt hätte. So zum Beispiel die Möglichkeit, sich am Wochenende mit einer geliehenen Sonde im Notfall den eigenen provisorisch gefüllten Zahn zu öffnen, um so den klopfenden Druck zu entlasten. Aber der Reihe nach…
Donnerstag. Das Pochen des am Dienstag frisch wurzelverfüllten Eckzahnes hat nicht abgenommen. In Anbetracht des nahenden Wochenendes besuche ich meine Zahnärztin und berichte ihr davon. „Da haben wir wohl zu früh gefüllt“, sagt sie, als wenn ich dabei auch nur irgendeine Form der Mitbestimmung gehabt hätte. Dabei sind Zahnärzte doch absolutistische Autokratien in Reinform – und wahrscheinlich ist das auch gut so. Dies wissend macht sie sich also daran, die bombenfeste Füllung wieder aufzubohren, den Wurzelkanal mit allerlei Feilgerät zu reinigen und unter Einbettung einer beruhigenden Medizin provisorisch zu verschließen.
„Was mache ich, wenn er sich am Wochenende wieder meldet?“, frage ich und sehe ihr erwartungsvoll in die Augen, damit sie mir für den Notfall ihre private Handynummer anvertraut. „Ich gebe Ihnen mal eine Sonde mit. Damit können Sie selbst den Zahn öffnen, und der Druck kann dann entweichen.“. Voller Verständnis schaut sie in meine immer noch erwartungsvollen Augen, die wohl gerade beginnen, einen Anflug von Panik widerzuspiegeln und nicht glauben wollen, dass dies alles gewesen sei. Meine Zahnärztin erbarmt sich: „Und wenn Sie es nicht selbst können, rufen Sie mich einfach auf meiner Handynummer an.“. Erleichert sinke ich im Behandlungstuhl zusammen – die Sonde aus schwerem HenrySchein stainless steel liegt kühl und schwer in meiner Hand.
Sonntag. Manchmal meldet er sich. Nur ganz kurz und kaum spürbar. Dann zeige ich ihm im Spiegel das zahnärztliche Kratzgerät und prompt ist wieder Ruhe. Ich sage „Noch ein Mucks und ich mach dir ein Loch damit!“ zu meinem Eckzahn und schon ist Schweigen. Er weiß, ich werde Ernst machen. Er spürt, dass er keine Chance hat weil ich ihn dann gnadenlos an meine Zahnärztin ausliefern werde, die ihn dann mit einer Wurzelspitzenresektion (WSR) endgültig ins Nirvana schicken wird. Es scheint zu wirken. Mein Zahn hat jetzt Respekt vor mir. Oder vor der WSR. Auf jeden Fall weiß er, wann man verloren hat.
Neon!

22 Gedanken zu „Notfallheimzahnarztsonde

    1. NeonWilderness

      Nein, nein, wir haben wirklich eine Menge Spaß, soweit man das sagen kann, wenn man auf einem Behandlungsstuhl sitzt. Ich glaube, sie wollte mit der Ausleihung der Sonde einfach nur helfen, weil eine Zahnöffnung für sie ja nichts Besonderes ist. Dass sich das bei mir allerdings etwas anders verhält, muss ich ihr noch schonend beibringen. *s

      P.S. Übrigens reicht wirklich schon ein kleines Loch, um den Druck, der sich ggf. unter dem Zahn aufbaut, zu entlasten. Man muss sich das in etwa so vorstellen wie ein kleiner Vulkan auf dem ein Deckel sitzt. Deckel weg, Druck weg. Und da der Zahn ja keinen Wurzelnerv mehr hat, ist die Erstellung des Lochs mittels Sonde auch nicht schmerzhaft. Er wurde ja auch schon in der Praxis ohne Betäubung frisch aufgebohrt. *tapfer guck* ;)

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    2. NeonWilderness

      Ich könnte mir vorstellen, ihr als Arzthelferin eine Chance zu geben, wenn sie bereit wäre, außer dem Schwesternhäubchen nur noch einen schlampig zugeknöpften weißen Kittel zu tragen.

      Bei preiswerten Zahnarztfreundschaftsleistungen muss ich mich ja auch irgendwie motivieren.

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  1. C. Araxe

    So. Ich schreibe jetzt nur einen Kommentar für beide Kommentarstränge (den von Frau Caliente und meiner einer):
    Ich glaube, Ihnen geht es schon wieder viel zu gut!

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