Gescheitertes Loslassen

Eigentlich hatte ich mir vor ein paar Wochen vorgenommen, loszulassen. So einfach, wie man ein Buch zuklappt, wenn man es zu Ende gelesen hat. So, wie wenn man einen geliebten Menschen zum Abschied küsst. So, wie wenn man sich zu jemandem noch einmal umdreht, lächelt und winkt, bevor man in den Zug steigt.
Ich war noch einmal dort, wo ich gelebt und gearbeitet hatte, sah in das Loch mit den unbegreiflichen Ausmaßen, brauchte Zeit, um mich zu orientieren. So vieles war verschwunden, Türme, Häuser, Wege, Hotels. Und Menschen. All das sah ich mit meinen eigenen Augen. Und dann versuchte ich loszulassen. Ich wollte nicht mehr die Gesichter der nun Toten sehen. Nicht mehr über die Jumper nachdenken. Nicht mehr reflektieren, was ich getan hätte, wäre ich am 11. September 2001 noch in einem Meeting auf einer der obersten Etagen gewesen.
Aber so einfach ist das nicht. So, wie manches Buch noch nachwirkt, wenn man die letzte Seite schon lange gelesen hat. So, wie man diesen letzten Kuss nie vergisst. So, wie wenn man brennende Sehnsucht fühlt, obwohl man lange fortgegangen ist. Ich weiß jetzt, die Türme werden immer bleiben, in mir. Und es ist gut, dass es so ist.
Neon!

9 Gedanken zu „Gescheitertes Loslassen

    1. NeonWilderness

      Ja, und mittlerweile glaube ich auch, dass dies durch Zeitablauf nicht notwendigerweise schwächer wird. Zumindest waren die letzten 8 Jahre bezogen auf diesen Fall relativ wirkungslos.

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  1. rinpotsche

    Was ist Loslassen? Sich die Gedanken darüber verbieten ist durchaus möglich, da beherrschbar, aber was soll man mit den autark lebenden Gefühlen tun? Zulassen wäre eine bessere Strategie!

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