Organspendeenttäuschung

Meine Krankenkasse fragt freundlich an, ob ich nicht meine Organe spenden wolle. Ich halte das für keine gute Idee, weil ich den Zustand meiner Innereien nur zu gut kenne und jedem nachdringlich davon abraten würde, diese in irgendeiner Form weiter zu verwenden.
Meine Augen brauchen seit neuestem schon eine Gleitsichtbrille von der Größe eines Fahrradreifens. Die Spannkraft meiner Haut wäre für jedes arme Verbrennungsopfer ein zweites, sehr vermeidbares Desaster. Meine Leber spottet jeder Beschreibung und nimmt sicher schon 95% meines gesamten Brustraums ein. Mein Herz überschlägt sich manchmal schlimmer als Michael Schumacher in Formel1-Rennen. Und meine Lungenflügel erholen sich erst seit einigen Jahren von einer bestimmt 10cm dicken Teerschicht. Alles in allem wäre ich eine ziemliche Enttäuschung für jedes gut gelaunte Transplantationsteam. Dabei stelle ich mir vor, wie eine Gruppe hoffnungsfroh gestimmter Ärzte schwungvoll meinen weit geöffneten Bauchraum inspiziert, sich ein Organ nach dem anderen kopfschüttelnd von allen Seiten ansieht und dann mit zunehmender Enttäuschung in die braune Biotonne gleiten lässt.
Für mich als Spender wäre diese Situation sehr unangenehm, nicht nur, weil ich dann tot bin und völlig ergebnislos entkernt wurde. Ich wäre an der Stelle auch ganz persönlich darüber entsetzt, wie fahrlässig ich in meinem Leben mit meinen einzigen Organen umgegangen bin. Ich würde mich ungefähr so fühlen, als hätte ich die Organe in einer Organbücherei nur ausgeliehen und würde sie nun mit Eselsohren und Kaffeeflecken zurückgeben. Mich als Leiche würde das emotional ziemlich runterziehen.
Auch erscheinen einen Tag später sicher schlimme Artikel über mich als gewissenlosen Organ-Asozialen in bundesweiten Boulevardblättern. Das wäre sehr unappetitlich! Wenn ich das alles vor meinem geistigen Auge Revue passieren lasse, sollte ich meinen jetzt schon fragwürdigen Leumund nicht durch einen unbedachten Organspendeausweis fahrlässig ganz zerstören.
Um trotzdem irgendwann noch ein wenig Gutes zu tun, könnte ich Frau Araxe einige der Teile mit starken Gebrauchsspuren vermachen. Frau Araxe ist eine ressourcenschonende Frau, lässt insgesamt nichts umkommen und hat für fast alles noch irgendeine hübsche Verwendung. Außerdem treffe ich dann in Là-Bas sicher Herrn Mahakala wieder und wir können mal ordentlich fünf gerade sein lassen. Ich freu mich drauf!
Neon!

28 Gedanken zu „Organspendeenttäuschung

  1. C. Araxe

    Auch wenn man besser nie irgendwelche Erwartungen haben sollte, so wäre ich doch etwas enttäuscht gewesen, wenn Sie Ihren Körper oder Teile davon fremd vermachen.

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    1. NeonWilderness

      Und außerdem geht’s ja auch auf Weihnachten zu. Da verschenkt man sich ja gerne. Welche Teile darf ich denn vormerken? Und können Sie gewährleisten, dass ich in Là-Bas nicht direkt neben Herrn Mahakala liege/hänge/stehe? Sie wissen ja, dass er manchmal sehr zwanglos wohnt.

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    2. C. Araxe

      So auf den Geschmack gekommen würde ich jetzt eigentlich nur noch Schädel nehmen. Und ich hätte da auch noch einen solitären Platz in einem Vitrinentisch.

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    3. NeonWilderness

      Sehr schön. Das klingt schon mal sehr fürsorglich. Steht der Vitrinentisch zufällig im Schlafzimmer? Ich möchte es nicht überbetonen, aber man braucht ja schon ab und an etwas Unterhaltung.

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    4. Mahakala

      Also, wenn ich meinen Tod überleben sollte und dann bei Frau Araxe als – vielleicht Vollkörperplastinat? – wohne, möchte ich in der Küche untergebracht werden.

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    5. C. Araxe

      @Herr Neon
      Unterhaltung gibt’s im Gruselkabinett nicht nur im Schlafzimmer. Von daher brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Und keine Angst, beim Anwalt landen Sie nicht.

      @Herr Mahakala
      Lassen sie sich nur nicht von Herrn Neon verunsichern. In der Küche sind Sie in bester Gesellschaft.

      @Frau Caliente
      Hm, da bringen Sie mich auf eine Idee … ein Schrumpfkopf fehlt schon lange im Gruselkabinett.

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    6. NeonWilderness

      @Frau Araxe – Jesus Maria! Aufregende Unterhaltung vom Anwalt zu erwarten ist ja ungefähr so hoffnungsbefreit wie Inspiration in der Apotheken-Umschau oder Bäckerblume zu finden. Wenn Sie das auch nur andenken, ziehe ich sofort alle wohlmeinenden Spendenabsichten zurück.

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  2. pathologe

    Im Englischen finde ich das gar nicht mal so schlecht, so einen Ausweis, kann man damit sich doch recht einfach von diesen sperrigen Musikinstrumenten trennen, auch bereits vor seinem Tod in Frau Araxes Kellertruhen.

    Aber auch ansonsten würde ich gegebenenfalls mein Hirn spenden. Einem Politiker in Berlin beispielsweise. Gut, mein Hirn ist im Gegensatz zu seinem nicht mehr jungfräulich und weist bereits Gebrauchsspuren auf, aber alleine die Erfahrung, die er damit bekommt. Und den Antrieb, sich aus der Politik zu entfernen… das bringt mich auf die Idee: kann man eigentlich auch molekular spenden?

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    1. NeonWilderness

      Ich kann mir schon vorstellen, welches sperrige Organ mit den wohl meisten individuellen Gebrauchsspuren Sie gerne der Lufthansa-Stewardess auf dem Europa-Rückflug unterschieben würden. Sie wissen hoffentlich, dass das erst post-gehirntot als philantropische Spende durchgeht!

      Wobei wir bei Ihrem Gehirn wären: Vielleicht fragen Sie doch lieber erst mal Ihre Blog-Abonnenten und Twitter-Follower, ob das wirklich eine gute Idee ist, wenn da was von überbleibt, geschweige denn irgendwo weiteren Schaden anrichtet.

      Übrigens können Sie ohne weiteres kleinteiliges Gewebe spenden: Herzklappen, Hornhaut, Haut, Knochen, oder was sonst noch ziel- und funktionslos an Ihnen herumhängt. ;)

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    2. NeonWilderness

      Also wenn Sie überschüssiges Haar in meinem nuancierten Farbton „straßenköterblond“ besitzen und abgeben wollen, könnte ich dieses proaktiv für einen leichten Ansatz von Geheimratsecken verwenden.

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    3. pathologe

      Wenn Sie sich allerdings dazu hinreißen lassen, Frau Araxes Schrumpfkopfsammlung um ein Exemplar zu erhöhen, reicht Ihr schütterer Schädelflusenbesatz bestimmt aus, da dieser ja nicht mitschrumpft.

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    4. NeonWilderness

      Hm, ein durchaus wertvoller Denkansatz. Allerdings scheint mir nach erster grober Analyse der Preis für ein alles umspannendes Haupthaar etwas hoch. Und abgesehen davon sehen 1,96m + Schrumpfkopf sicher gewöhnungsbedürftig aus. Vielleicht klappt’s ja alternativ auch mit Arax’schen Beschwörungsformeln in einer Vollmondnacht. Bei Herrn Mahakala hat’s ja so auch funktioniert:

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    5. Mahakala

      Oder der Herr im Bilde hat schon länger nicht mehr seinen künstlichen Darmausgang sauber gemacht …
      Wenn sich solche Leute im Neon’schen Haus rumtreiben, will ich da eigentlich gar nicht einziehen; und irgendwie kann ich den kleinen neon jetzt noch besser verstehen: aus so einer Gesellschaft kann man sich ja nur in den Drogenrausch retten ;-)

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    6. NeonWilderness

      @Herr Pathologe – Sie meinen den Junior? Hm, könnte sein, er ist ja gestrenger Evangelikaner und damit gilt folgendes: Die Welt ist gerade 6000 Jahre alt, Nutzer von USB Sticks sind sündige Satanistenseelen und Schamhaarrasur sicher ein Werk des Teufels.

      @Herr Mahakala – Sie wollen doch jetzt nicht wirklich abstreiten, dass SIE das auf der Soziologen-Erstsemesterparty 2001 im Kölner Studentenwohnheim am Deutzer Ring sind. Leider wurden die Pumps bildtechnisch abgeschnitten, aber vielleicht ist das auch besser so. *g*

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    7. NeonWilderness

      Meine Herren!

      Punkt 1: Samstags wird ausgeschlafen! Immer! Postings vor 9 Uhr sind schlimme Anzeichen dafür, dass man falsche Entscheidungen trifft und bald in eine Nervenheilanstalt kommt.

      Punkt 2: Mein Kopf explodiert gerade wg. zu vieler Details über Vorgärten.

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