Der Schneeflocken-auf-Lippe Moment

Schneeflöckchen Weißröckchen

„Steh“, sage ich, als der Hund aus rein blasentechnischen Ambitionen und in völliger Ignoranz dieses heiligen, unberührten Bildes diese unschuldige, samtweiche Decke aus Schneeflöckchen Weißröckchen frischen weißen Schnees mit seinen Pfoten für immer zu zerstören beabsichtigt.
Sofort erfriert jede seiner Bewegungen. Solidarisch die Beine zusammenkneifend, knie ich mich neben ihn in die geöffnete Türe und wir lauschen gemeinsam für ein paar Momente dem tosenden dunklen Wind, der die schweren Flocken auf den Boden peitscht und mit jeder Sekunde den weißen Teppich dicker werden lässt. Kann ein Tier das außergewöhnliche Besondere einer stillen Situation empfinden?
„Jetzt“, sage ich, packe die Kamera weg, und er springt in den Schnee, schnüffelt ihn aus, wälzt sich durch ihn, wuschelt unter die weiße Decke, rollt sich über das weiche Bett, schnappt nach den tanzenden Flocken, springt durch den weißen See – ohne noch einen Moment an seine volle Blase zu denken.
„Wie dumm du doch bist, diese Frage zu stellen“, sage ich leise zu mir selbst, und sehe ihm still zu, während ich die schmelzenden Schneeflocken von meiner Lippe lecke.
Neon!

28 Gedanken zu „Der Schneeflocken-auf-Lippe Moment

  1. pathologe

    Schoenes Bild, schoene Beschreibung. Kann ich mir kaum vorstellen, bei immer noch ueber 25 Grad draussen.

    (Ok, gestern abend war es schon frisch im kurzaermeligen Hemd draussen im Hof, um 10 abends.)

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    1. NeonWilderness

      Herr Pathologe – das war wirklich eine tolle, surreale Stimmung vor 2 Nächten. Und eine, die ich auch vermissen würde im warmen Arabien. Am liebsten würde ich Ihnen ja einen Kubikmeter schicken, aber selbst hier ist schon fast alles wieder weggetaut.

      Frau Araxe – ich spring‘ auch immer gleich in die Flocken, wenn’s mal schneit, eben weil es in der Stadt so ein flüchtiges Vergnügen ist. Zum Glück gibt’s in der Nähe eine große Skihalle, da kann man sich dann mal so richtig im Schnee wälzen, wenn die Sehnsucht zu groß wird.

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    2. NeonWilderness

      Natürlich ist es kein Ersatz, aber wenigstens ein Ort, wo Schnee mal länger liegen bleibt als bis man sich die Stiefel angezogen hat.

      Man darf auch mal Dinge tun, die nicht perfekt sind, Frau Araxe. Sie feiern ja auch Sylvester, obwohl Sie wahrscheinlich nicht in New York sind. Sie essen nicht nur immer schweizerische Schokolade. Oder trinken auch schon mal einen Rotwein, obwohl es kein 1787er Chateau Lafite ist!?

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    3. C. Araxe

      Da mag es qualitative Unterschiede geben, aber es handelt sich dabei dennoch nicht um künstliche Produkte. (Kann aber dennoch Spaß bringen, das bestreite ich gar nicht.)

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    4. NeonWilderness

      Sicher bevorzugt Frau Araxe die ausgefallene, leicht bizarre Variante. Vielleicht irgendwas Selbstgeschnitztes aus einem übrig gebliebenen Oberschenkelknochen eines Untermieters. Nein, ich denk da jetzt nicht weiter drüber nach…

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    5. pathologe

      Geschnitzt? Ich denke da mehr an die Schrumpfkopfvariante. Klein und handlich fuer das Handtaeschchen. Und immer dabei.

      (Notfalls auch als Hundekauknochen oder Landjaegerersatz fuer den kleinen Hunger…)

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  2. wvs

    Als Kind …. habe ich bei Schneefall immer versucht die Flocken mit dem Mund zu fangen …. ins Grübeln kam ich aber vor ein paar Tagen als mein Sohn (dem ich die Geschichte erzählte da es gerade schneite) zu mir sagte: „Nie mit dem Mund Schnee auffangen bevor der Vogelzug nach Süden völlig abgeschlossen ist ….“

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    1. NeonWilderness

      Frau Caliente, das ist ein schönes Feedback. Ich habe mir da für Sie folgende kreative Überraschung ausgedacht:

      • das Bronze-Premium-Abo: jeden Monat ein persönliches Neon-Mail (€ 5,99)
      • das Silber-Premium-Abo: jede Woche ein persönliches Neon-Mail (€ 19,99)
      • das Gold-Weihnachts-Premium-Abo: ich schreibe Ihnen täglich bis zu Ihrem zum Weihnachtshöhepunkt (24.12.), für schlappe € 59,99

      Sind das nicht unschlagbare Angebote? Und sind wir im Geschäft? ;)

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