Archiv für den Monat: November 2009

Wochenendpumps

Rätselfrage. Wenn Herr Neon Samstagmorgens Samstagmittags auf dem Weg zum Frühstück die Diele durchschreitet und über diese süßen, aufreizenden, roten Pumps stolpert, bedeutet dies, dass

  1. Herr Mahakala bei Neons zu Besuch ist und noch entspannt in den Federn liegt
  2. Herr Neon die nette Brötchenfrau zum gemeinsamen Frühstück eingeladen hat
  3. die neue Freundin vom kleinen Neon durchaus in der Lage ist, korrekte Schuhentscheidungen zu treffen.

Neon!

Geschicktes Marketing

Die schwierige Frage „Wie kann man den potenziellen Käuferkreis für ein schnödes Buchhaltungsprogramm mit dem desaströsen Spannungsbogen einer 10-stündigen Live-Angelsportübertragung doch noch signifikant steigern?“ beantwortet das Unternehmen METRO in seinem jüngsten Non-Food Prospekt elegant und nachgerade sprachgenial. Wer möchte sich wohl nicht – je nach Tagesform immer oder zumindest ab und zu – als jemand bezeichnen, der Freude an seinem Beruf hat.
Ich hege jedoch Zweifel, ob die Freude durch den Einsatz von WISO Buchhalter 2010 nachhaltigen Bestand hat. Das bleibt sicher ein genialer Einmaltippfehler-Marketingansatz.
Neon!

Bleierne Matratzengruft

Stille. Eine bleierne, bedrückende Schwere liegt wie eine meterdicke Schicht von Schmerz und Elendigkeit über dieser Wohnung. Ich sitze am Küchentisch meiner Eltern und starre auf die Präsentation auf meinem Laptop, die ich bearbeiten sollte – doch meine Gedanken sind weit weg.
Leise höre ich das ruhige, beständige Ticken der schweren Eichenstanduhr aus dem Wohnzimmer, während mein Blick über die furnierten Küchenschränke flimmert, die mich an die lang vergangene Zeit erinnern, in der ich hier wohnte. „Hast Du am Mittwoch ein paar Stunden Zeit?“, fragt meine Mutter am Telefon und ihre Stimme hat etwas bedrohlich Flehendes, „…ich muss mal hier raus“. „Ja, ich werde um halb zwei da sein“, sage ich und achte darauf, das nichts passiert, was mein Versprechen auch nur im Entferntesten gefährden könnte.
Kurz sprechen wir noch, über das Morphiumpflaster und das grüne Kontrolllicht des Druckwechselbetts. Dann höre ich die Haustüre zufallen – und ich bin alleine, mit meinem Vater. Unbeweglich liegt er in dem Bett, das mittels einer Maschine auf dem Boden periodisch die Liegeflächen der Matratze mittels Pressluftzufuhr verändert. Es ist dieser Moment, in dem man von der leibhaftigen Existenz von Druckwechselmatratzen erfährt, allerspätestens dann, wenn das eisige Prinzip unverschuldeten Siechtums und kalter, böser, langer Sterblichkeit sich Platz greift in deinem unschuldigen, naiven und bislang lebensfrohen Hirn und deine Welt nicht mehr dieselbe ist. Von jetzt auf gleich. Und nimmermehr.
Wie tot liegt er da. Der Kopf wie die Totenmaske von Heinrich Heine. Den Mund geöffnet. Die Wangen tief eingefallen, die Augen geschlossen. „Paps, ich bin hier, möchtest du etwas trinken?“, frage ich meinen Vater. „Jaaa“, kommt es leise stöhnend und mit immer geschlossenen Augen zurück. Ich nehme den Trinkbecher mit dem Cola-Wassergemisch und berühre vorsichtig seine Unterlippe. Zweimal saugt er an der Lasche des Bechers, dann lösen sich seine Lippen. „Hast Du Schmerzen?“, frage ich, während ich seine Hand halte. Kaum merklich bewegt sich sein Kopf und beendet die Verneinung, als wenn sie unendlich Kraft gekostet hätte. Dann sitze ich wieder am Küchentisch und sende leere Blicke auf die Powerpoint-Slides, bevor ich resignierend aber voller Sinn den Bildschirm zuklappe.
Heute, jetzt, treffe ich die Entscheidung, dass ich nicht so gehen werde. Wenn die Zeit kommt, einst, und hoffentlich weit entfernt, werde ich mein Leben beenden, so es irgendwie in meiner Macht steht, und nicht ein Sklave der bleiernen Matratzengruft werden. Niemals.
Eine Woche später. „Du musst sofort kommen“, sagt meine Mutter, „dein Vater glaubt mir nicht, dass wir vor 5 Jahren umgezogen sind“. Als ich ankomme, redet er mit geschlossenen Augen. Manchmal klar, manchmal wirr. „Weisst Du, wo Du bist?“, frage ich ihn. „Siehst Du den grünen Frosch da?“, fragt er mich mit geschlossenen Augen. Nur kurz rebelliert mein sachlich-logisches Gehirn, dann schließe auch ich die Augen. „Ja, Paps, den sehe ich“, sage ich und lege meine Hand auf seine rechte Wange.
Neon!