Archiv der Kategorie: Entgleisungen

Meine neue alte Drogensucht

Ich hatte wirklich gedacht, ich komme davon los. Es fing doch so harmlos an, so leicht und unbeschwert. Als ich schließlich meine schwere Sucht bemerkte, war es bereits viel zu spät. Verdammtes Teufelszeug! Natürlich redete ich mir anfangs ein, ich könne ja jeden Tag damit aufhören. Eben das, was man sich als Süchtiger so einredet, wenn man glaubt, dass man immer noch Herr des Verfahrens sei, dass der eigene Wille sich am Ende stärker zeigen würde als dieses Hämmern im Kopf und dieser schreckliche körperliche Entzug.
Schon in meiner Jugend hatte ich es mal genommen. Meine Mutter brachte es eines Tages mit und ließ mich davon probieren. Mein Gott, wenn sie heute wüßte, was sie damals damit angerichtet hat. Irgendwann, Jahre später, kam ich schließlich davon los und konnte lange ein relativ normales Leben führen. Dann, erst vor kurzem, kam dieser schreckliche Tag, an dem das Verderben wieder seinen Anfang nahm.
Der kleine Neon brachte mal wieder alle Symptome einer beginnenden Grippe mit und das war jetzt, so wenige Wochen vor den Abiprüfungen, das wirklich allerletzte, was er brauchen konnte. Omma Neon, schon immer eine Frau der schrecklichen Tat, fackelte nicht lange und drückte ihm bei einem Besuch eine flache, dunkle Flasche in die Hand, die von weitem wie ein gleichschenkliges Dreieck aussah. Nur mühsam unterdrückte ich einen spitzen Schrei. Sofort erkannte ich das Behältnis wieder, das meine Jugend bestimmt hatte. Eruptiv quollen längst vergangen geglaubte Zeiten hervor aus den Untiefen meiner zugedeckten Erinnerungen an das grelle, schmerzende Licht der eigenen verdrängten Fehlbarkeit.
Ja, das war exakt der Geruch, der mich süchtig gemacht hatte. Tief in der Nacht fand ich mich plötzlich alleine vor der Flasche stehend. Wie ferngesteuert hatte sie mich an einem unsichtbaren Faden durch das Haus in die halbdunkle Küche gezogen und zwang mich, sie fast liebevoll in die Hand zu nehmen. Ich wusste, dass ich verloren war, als ich den ersten Esslöffel vollaufen ließ und den dickflüssigen, süßen Saft mit geschlossenen Augen meiner gierigen Kehle überantwortete.
Seitdem muss ich es jeden Tag tun. Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder damit aufhören kann. Ich denke, ich brauche dringend professionelle Hilfe und außerdem ein klärendes Gespräch mit meiner Mutter. Meine monatlichen Kosten für Sanostol Multi-Vitaminsaft sind immens und werden mich bald in den Ruin treiben. Ich weiß, ich muss damit aufhören, aber ich sehe keinen Ausweg mehr. Ich sage Euch, ja ich bitte Euch eindringlich: Glaubt niemals, niemals, niemals, Ihr könntet Sanostol beherrschen, sonst endet Ihr wie ich.
Neon!

Kraulmoral

Nach monatelangen intensiven Verhaltensanalysen und wissenschaftlich-akribisch dokumentierten Testreihen habe ich eine ganz bestimmte Stelle an meinem Hund lokalisieren können, die, wenn sie gezielt gekrault wird, sofort dazu führt, dass sich der Hund freudig auf den Rücken rollt, sich unter Begleitung gutturaler Laute erwartungsfroh über die Lippen leckt und wohlig entspannt die Beine spreizt.
Derzeit ringe ich mit mir, ob es moralisch vertretbar ist, nach diesen ermutigenden Zwischenergebnissen diese Versuchsanordnung auch auf Frauen auszudehnen.
Neon!

Beunruhigende Zukunftsvisionen

Es ist für mich einerseits verblüffend und gleichzeitig zunehmend beunruhigend, welche seherischen Fähigkeiten sich mir in letzter Zeit eröffnet haben. Nicht, dass mir nicht schon früher Geister (z.B. der vergangenen und zukünftigen Weihnacht) erschienen sind. Doch hielt ich das bislang für eine zu tolerierende Begleiterscheinung der Vorweihnachtszeit und dem leicht psychedelischen Bewusstseinszustand, der sich freundlicherweise beim Genuß von zwei Pfund Zimtsternen in Verbindung mit drei Flaschen Glühwein einstellt.
Jedoch kann das nicht als Erklärung dafür herhalten, dass ich letzte Woche zuerst mir selbst begegnete und dann in die äußerst ambivalente Zukunft von Fräulein Caliente blicken konnte musste. Gerade letztere Offenbarung hat mich tief traumatisiert und erschüttert. Lange haderte ich mit mir selbst, ob ich mit diesem auf kaum greifbaren Eingebungen basierenden, äußerst prekären Wissen an die Öffentlichkeit gehen soll, ja darf! Wie würden diese erschreckenden Erkenntnisse auf ihr soziales Netzwerk wirken? Wie würde sie diese investigative Aufdeckung im besten Wallraff-Stil selbst verarbeiten?
Doch zunächst zu meinem eigenen Déjà-vu, in dessen Verlauf ich, auf der A3 in Richtung Frankfurt bretternd fahrend, meiner selbst ansichtig wurde.

Wer wollte mir da ein Zeichen geben? Was sollte mir dies sagen? Würde ich bald all mein Hab und Gut verkaufen, einen Kastenwagen erwerben, liebevoll bemalen, und dann nur mit dem Nötigsten nach Kanada auswandern? Würde ich endlich meinen Lebenstraum verwirklichen und ein Lichtberatungsstudio in Al-Hammada al-Hamra eröffnen? Minutenlang starrte ich auf den Kleinlastwagen und zermarterte mir das Gehirn.
Als wenn das alles nicht genug gewesen wäre, um mich aus der Bahn zu werfen, musste ich am folgenden Tag auf dem Kundenparkplatz eines Düsseldorfer Getränkehändlers (dessen Identität weiter unter Verschluss gehalten wird) auf folgendes Werbeschild blicken:

Fräulein Caliente (aka „Dolce Vita“) hatte sich also entschieden und beabsichtigte, sich nun mit der dunklen Seite der Macht zu verbünden. Ihr karges Leben in Italien war der lebenshungrigen Wilden und ihrer Gier nach aufregenden Erlebnissen nicht mehr genug. Sie wollte mehr! Viel mehr! Das wurde mir jetzt knallhart und mit einem Schlag klar. Traurig und erschüttert blickte ich in ihren aufreizenden Augenaufschlag und klebte dann ein Pflaster auf ihre nackte Brustspitze, während ich meinen Blick keusch abwandte. Gerne erbrachte ich ihr diesen letzten Gruß des Anstands.
Und natürlich werde ich sie trotz meiner hohen sittlichen Maßstäbe und festen moralischen Grundüberzeugungen auf einen Piccolo Kaffee besuchen, wenn sie sich hier niedergelassen hat. Sie hat uns mit ihren tragikkomischen Hausmeister- und Kamerageschichten hier auf Twoday viel Freude gemacht – das sollten wir niemals vergessen! Auch jetzt nicht!
Neon!

Arztpraxisnotiz

Thema: Notiz an mich selbst.
Rubrik: Empfohlene Verhaltensweisen bei Arztbesuchen

Empfehlung:
Wenn man an aussagefähigen Ergebnissen des EKG-Belastungstests interessiert ist, sollte man vermeiden, vor dem Arztbesuch das unwiderstehliche Abercrombie & Fitch Parfum „Fierce“ aufzulegen.

Begründung:
Es ist für die resultierenden Testergebnisse nicht hilfreich, wenn die Arztgehilfin sich stöhnend den Weißkittel vom Leib reisst, sich rittlings mit auf das Praxisfahrrad schwingt und ihre entrückte Nase über die benoppte Brust des EKG-Probanden gleiten lässt.

Neon!

NYC minus 2 days – Murphy time

Es war ja schon durchaus etwas aufregend, 3 Wochen vor Abflug zu erfahren, dass der Reisepass abgelaufen ist. Wenn man aber 2,5 Tage vor Abflug mehr oder weniger zufällig mitbekommt, dass man spätestens 72 Stunden vor Abflug ein seit 12. Januar 2009 eingeführtes, zwingend durchzuführendes, elektronisches Einreisegenehmigungsverfahren abgeschlossen haben sollte, wird der Puls doch etwas schneller.
Einerseits sollte man ja dankbar sein, dass man auf dem Flug nun nicht mehr die jahrelang genutzten weiß-grünen US-Einreiseformulare ausfüllen muss, andererseits hätte es ja schon einen gewissen Charme, wenn die Fluggesellschaft ihre Gäste vor Antritt des Fluges elegant darauf hinweist, dass man den ESTA-Antrag (Electronic System for Travel Authorization) nun zwingend vorher über eine Webseite der Homeland Security zu stellen hat. Ohne vorherige Genehmigung wird nämlich die Einreise verweigert.
Welch ein aufregender Sonntagvormittag – immerhin schien die 72 Stunden Frist nicht „hart programmiert“ zu sein und da ich außerdem klugerweise vermied, Fragen nach kriminellen oder sittenwidrigen Handlungen bzw. aktuellen Spionage- oder Sabotagetätigkeiten mit „Ja“ zu beantworten, wurde die Einreisegenehmigung für den kleinen und großen Neon auch sofort erteilt.
Puh, was also kommt als Nächstes? Das kann doch nicht alles gewesen sein! Ich denke, ich fahre lieber schon morgen zum Flughafen und prüfe mal 24 Stunden vorher, ob die Tickets auch als ETIX im Quick-Check-In-Automaten registriert sind. Murphy sagt: „If anything can go wrong, it will“ und „Smile … tomorrow will be worse“.
Neon!

Das böse Karma von Hundebademänteln

Nicht dass es mir sehr leicht fiele, den hart urteilenden Herrn Pathologen im Nachhinein zu bestätigen – aber ich habe tatsächlich sachte Indikationen entdeckt, die darauf hinweisen könnten, dass Sylt doch partiell dekadente Auswüchse entwickelt hat.

Und obwohl es sicher gewichtige und absolut nachvollziehbare Gründe vorzubringen gibt, dass Hunde ohne einen eigenen Bademantel schwere Traumata erleiden und irreversible Persönlichkeitsveränderungen zu durchstehen haben, beschleichen mich, je länger ich darüber nachdenke, doch leise Zweifel, ob es nicht sinnvollere Objekte für Ausgaben im höheren 2-stelligen Euro-Bereich gibt. Klar, dass ich sofort bestürzt und mit leicht angewidertem Blick den Laden verließ – und das mit der klaren Absicht, diesen luxusgesellschaftlichen Exzess später in diesem Blog ordentlich zu filetieren.
Wie auch immer: Urlaubende Inselbesucher, die sich schuldig machen, solcherart dekadente Auswüchse nicht auf der Stelle öffentlich anzuprangern, werden offensichtlich auf dem Fuße bestraft. So rief denn auch der kleine Neon am Freitagabend mit den panischen Worten an „Scheiße Paps, der Keller läuft voll“, womit er brilliant zusammenfasste, dass wegen des Weltuntergangsunwetters in Düsseldorf die öffentlichen Abflussrohre das übergroße Wasservolumen im Zuge eines fiesen Rückstaus in angeschlossene Häuser zurückpresste und so für ungeplantes Wasserschippen sorgte.
Statt Resturlaub am warmen Syltstrand heißt es jetzt also: zügige Rückkehr, Keller grob trockenlegen, Teppich rausreißen und mit Versicherung rumärgern. Hätte ich doch bloß einen Bogen um diesen Hundeladen gemacht. Oder gleich auf Herrn Pathologen gehört.
Neon!

Teure Passverschwörung

Pässe haben eine sehr ungute Eigenschaft. Sie laufen überraschend ab. Und zwar immer zum ultimativ-ungünstigsten Zeitpunkt. Jahrelang liegen Reisepässe faul in irgendwelchen Schubladen oder Dosen herum und machen sich einen Lenz. Aber dann, wenn man sie endlich braucht und hervorholt, sind sie garantiert abgelaufen. Schon lange glaube ich, dass es eine heimliche Verschwörung von deutschen Passausstellungsbeamten gibt, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, möglichst viele Menschen in eine temporär passlose Verzweiflung zu treiben.
Ich jedoch war anfangs zweifelsfrei sicher, dass mein Reisepass noch gültig ist (was nicht ganz unwichtig ist, wenn man vorhat, Mitte Juli nach Amerika zu fliegen). Irgendetwas jedoch läutete ständig in meinem Hinterkopf – wahrscheinlich auch deswegen, weil mich schon einmal in London ein British Airways Kontrolleur nicht auf einen US-Flug ließ (was zudem beweist, dass es eine internationale Verschwörung ist).
Es war dann nicht so schlimm, herauszufinden, dass mein Pass bereits im Februar abgelaufen war. Aber es steigert die Spannung schon etwas, wenn man 3 Wochen vor Abflug erfährt, dass es 3-4 Wochen dauert, bis ein neuer Pass ausgestellt ist.


Neon: „Guten Tag. Ich fliege Mitte Juli nach New York und habe eben gemerkt, dass mein Reisepass im Februar abgelaufen ist“.
Bürgerbürobeamtin: (wahrscheinlich Kopf der Verschwörung) „Da haben Sie ein Problem!“.
Neon: „Ja danke, dessen bin ich mir bewusst. Ich brauche also schnell einen neuen Pass!“.
Bürgerbürobeamtin: „Haben Sie Fotos dabei?“
Neon: „Ja, bitte“. *reicht Passbild*
Bürgerbürobeamtin: „Das ist nicht biometrisch!“.
Neon: „Wie bitte?“
Bürgerbürobeamtin: „Sie brauchen biometrische Fotos. Auf diesem lächeln Sie!“. *reicht Foto zurück*
Neon: *lächelt gequält* „Und wo bekomme ich die am Schnellsten?“
Bürgerbürobeamtin: „Gegenüber bei Optiker X.!“. *schneidet brutal Ecke von altem Pass ab*

— halbstündige Pause zur Anfertigung von Biometrikpassbildern —

Neon: „Ich habe jetzt die Fotos. Wann kann ich den neuen Pass abholen?“
Bürgerbürobeamtin: *nimmt biometrische Fingerabdrücke ab* „Wenn Sie Glück haben, in 3 Wochen!“
Neon: „Also so ab dem 15. Juli? Hören Sie, da sitze ich schon im Flugzeug. Und hoffentlich mit Pass.“
Bürgerbürobeamtin: *genießt Aufregung von Herrn Neon* „Jetzt den anderen Finger bitte!“
Neon: *sieht New York sausen*
Bürgerbürobeamtin: „Es gibt da noch eine Möglichkeit!“ *spitzt Lippen und kostet Pause aus*
Neon: *haucht* „Ja?“ *setzt allerliebstes Sympathielächeln auf*
Bürgerbürobeamtin: „Expresspass! 3-4 Tage! 91 Euro!“
Neon: *atemnot* „Waaas? 91 Euroooooo?“
Bürgerbürobeamtin: „Nein, 99 Euro, ich sehe gerade, Ihr Personalausweis ist auch abgelaufen!“
Neon: „%@$%&§€@€€#!!!$€§%/&%@“ *zahlt*

Neon!

„Scheiß Paris!“

„Scheiß Paris!“, sagt mein Vater und lässt sich schwer atmend in den blassgrünkarierten Fernsehsessel fallen, der auf meine Augen wie ein schmerzender Stachel im Fleisch des restlichen Wohnzimmers wirkt. Ächzend beugt er sich im Sessel nach vorne um seinen verkratzten, schwarzen Holzstock gegen die schwere Granittischplatte zu lehnen. „So viele Pläne hatte ich noch“, sagt er traurig, und schaut mich müde aus den nicht ganz geöffneten Augen an.
In den letzten Wochen und Monaten hört man ihn oft „Scheiß Paris!“ rufen und obwohl ich immer noch nicht weiß, was es exakt bedeutet, spüre ich die Verzweiflung in seiner trockenen Stimme und die Bedeutung dessen, was er damit sagen will, sehr genau.
„Weißt du, ich vergesse jetzt viel“, murmelt er und kramt nervös in der Tischschublade nach den Xeloda. „Wo sind meine Tabletten?“, ruft er quer durch die Wohnung und aus der Küche schallt ein „Die hast du doch schon vor 2 Stunden genommen!“ zurück.
Er grummelt leise vor sich hin, dann richtet sich sein Blick wieder auf mich. Ein Lächeln huscht über seine Lippen: „Was machen die Aktien?“, fragt er und guckt spitzbübisch. „Gut, gut“, antworte ich aufmunternd, „das war eine prima Entscheidung, im März fünf Deutsche Bank Aktien für deine Enkel zu kaufen“. „Bestimmt sind wir bald Millionär“, sagt er zufrieden. Ich überschlage kurz, dass der Kurs dafür noch um ca. zweihundertzweiunddreißigtausendfünfhundertachtundfünfzig Prozent steigen muss, aber sage nur „Nana Paps, ich glaube, das braucht wohl noch etwas Zeit“.
„Nächste Woche bekomme ich ein Hörgerät“, sagt mein Vater und schaut etwas verdrießlich. „Ich hoffe, man sieht es nicht so. Das wäre nicht gut, wenn die anderen sehen, dass ich ein Hörgerät brauche. Deine Mutter hat darauf bestanden, weil ich den Fernseher immer so laut stelle“, sagt er und wirft einen unzufriedenen Blick in Richtung Küche. Stille.
„Es ist noch zu früh dafür“, sagt er resignierend, „ich hatte noch so viel vor“. Und obwohl ich weiß, dass er nicht das Hörgerät meint, sage ich „Du wirst staunen! Die haben eine unglaubliche Entwicklung gemacht in den letzten Jahrzehnten. Da müssen wir ja am Ende noch aufpassen, was wir sagen, wenn du dann alles hören kannst“. Lächelnd schließt er die Augen.
Ich stehe leise auf und hole unten auf der Straße die Wasserkästen aus dem Auto, bringe sie in den Keller, nehme ein paar Flaschen mit hinauf. Als ich mich wieder auf’s Sofa setze, schlägt er die Augen auf. „Stell dir vor, gestern konnte ich gehen wie ein junger Gott. Aber heute… …fühl ich mich ganz schwach …und mir ist so kalt …kannst du mir eine Decke holen?“.
Vorsichtig lege ich die Decke um seine Schultern. „Hast du die Aktienkurse gesehen?“, fragt mich mein Vater. „Ja, sind gut gelaufen“, antworte ich abwesend.
Gedankenverloren schaut er aus dem Fenster. „Nach Mallorca wollte ich im Herbst“, sagt er leise. „Aber dafür fehlt mir jetzt die Kraft.“
„Scheiß Paris!“, sage ich. „Ja, scheiß Paris!“, sagt mein Vater.
Neon!

Das verlorene Recht auf schwarze Strümpfe

Heute Abend, auf einer harten Bodenmatte meines Fiti-Clubs, inmitten einer 45-sekündigen Trainingspause der Bauchmuskelanspannsitupübung (unter Verwendung eines dafür zweckdienlichen Bauchmuskelanspannsitupgeräts), drängte sich hart und unerbittlich eine Frage in mein Hirn, nahm gänzlich von ihm Besitz und führte es gnadenlos zu der niederschmetternden und erschütternden Erkenntnis, dass die Welt im Allgemeinen und die Gesellschaft im Speziellen sehr ungerecht sind.
Denn warum sonst sollte ein- und dieselbe Handlung bei Menschen z.B. unterschiedlichen Geschlechts gesellschaftlich so gänzlich unterschiedlich gesehen und beurteilt werden? Warum sollte denn der eine nicht auch tun dürfen, was der andere ganz selbstverständlich ohne Repression auszuüben beliebt? Warum also, so frage ich, können Frauen, ja sollen Frauen, ihre schwarzen Strümpfe beim Sex anbehalten, während, wenn wir Männer diese Absicht leise und mit äußerster Vorsicht kundtun, wir damit rechnen müssen, vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen grober Verletzung der Menschenwürde verklagt (und verurteilt) zu werden.
Ich weiß, viele Männer werden jetzt leise seufzen und in eine von zustimmendem Kopfnicken begleitete, tiefe Traurigkeit fallen. Liebe geschundene Männer, auch ich musste einst diese harte Lektion des Lebens von einer klugen, wenngleich unerbittlichen Blondine lernen, welche, skandalöserweise selbst schwarze Strümpfe tragend, mir zunächst näheren körperlichen Zugang mit hochgezogenen Augenbrauen und den klirrenden Worten „Erst die Socken!“ verwehrte. Und ich, wie wahrscheinlich auch ihr, meine lieben Sockensklaven, lernte schnell.
Ich weiß nicht, warum es mich gerade heute, so kurz nach dem Girls Day, überkam. Ich denke, es ist ein Zeichen dafür, wie tief die Narben sind, die diese erniedrigende Ungleichbehandlung in meine Seele geschlagen hat, an denen ich noch heute herumlaboriere. Ich bin sicher, Eure mitfühlenden Kommentare werden mir Mut machen, endlich mit diesem schlimmen Erlebnis fertig zu werden.
Neon!